Was kann die Wasserkraft für den Umweltschutz tun?

Wie bleibt Wasserkraft wettbewerbsfähig? Im ausführlichen Interview befragen wir den Schweizer Experten Thomas Geissmann zu möglichen Maßnahmen in Politik und Wirtschaft. Und was hält man in der Schweiz eigentlich von der deutschen Energiewende?
Prof.-Dr. Frank Pöhler ist seit 2016 Geschäftsführer der Bayerische Elektrizitätswerke Gmbh und Honorarprofessor an der Universität Kassel. Nach seinem Studium des thermischen und hydraulischen Maschinenbaus an der TU Dresden leitete er Projekte im Kraftwerksbau. Während seiner Beschäftigung bei E.ON nahm er verschiedene Leitungsfunktionen wahr, unter anderem als Konzernbeauftragter Wasserkraft oder im Anlagenmanagement von Pumpspeicherkraftwerken. Prof.-Dr. Frank Pöhler ist seit 2013 Vorstandsmitglied der Untere iller AG und der Mittlere Donau Kraftwerke AG.
Wasserkraft in Bayern
Herr Prof. Pöhler, Sie besuchen als Geschäftsführer der Bayerischen Elektrizitätswerke GmbH (BEW) Augsburg unser Forum Wasserkraft. Warum spielt denn eigentlich Wasserkraft in Bayern eine so viel größere Rolle als im Rest Deutschlands?
Durch höhere mittlere Jahresniederschläge und die topografische Lage an den Alpen sind vor allem die Flüsse in Südbayern prädestiniert für Stromerzeugung aus Wasserkraft. Die Erschließung des Wasserkraftpotenzials im vergangenen Jahrhundert hat maßgeblich zur prosperierenden wirtschaftlichen Entwicklung von Bayern beigetragen. Mit durchschnittlich 12,5 Mrd. kWh pro Jahr kommen fast 60 Prozent des in Deutschland produzierten Wasserkraftstroms aus Bayern. Heute noch beträgt der Wasserkraftanteil an der Stromerzeugung in Bayern ca. 14 Prozent, während er in Deutschland lediglich 3 Prozent beträgt.
Wasserkraft hat für Bayern essentielle Bedeutung. Nicht nur ein Drittel des regenerativ erzeugten Stroms in Bayern ist Wasserkraft. Wasserkraft bedeutet vor allem sichere, preiswerte, grundlastfähige und planbare Stromerzeugung – damit unterscheidet sie sich grundlegend von fluktuativer Stromerzeugung aus Wind- und Photovoltaikanlagen.
Herausforderungen für die Wasserkraft in Deutschland
Welche besonderen Herausforderungen müssen Unternehmen beim Betrieb von Wasserkraftwerken derzeit meistern in Deutschland?
Sorgen bereiten uns seit einiger Zeit die niedrigen Börsenpreise und damit sinkenden Erlöse. Wasserkraftanlagen mit einer Leistung über 5 Megawatt sind die einzigen regenerativen Stromerzeugungsanlagen, die in Deutschland nicht über das EEG subventioniert werden. Derzeit beträgt die Durchschnittsvergütung aller geförderten EEG-Anlagen immer noch ca. 13 ct/kWh (EEG-Gesetz bereits seit März 2000!), während die große Wasserkraft ihren regenerativen Strom nach Marktpreisen verkaufen muss, die zurzeit etwas unterhalb von 3 ct/kWh liegen.
Zusätzlich trägt die Wasserkraft immense Kosten für Hochwasserschutz und Umsetzung der EU-Wasser-Rahmenrichtlinie, wie die Errichtung von Fischwanderhilfen oder die ökologische Gestaltung der Gewässer.
Mit Rationalisierungsprogrammen und Effizienzverbesserungen versuchen wir die Wirtschaftlichkeit der großen Wasserkraft zu erhalten. Wir suchen aber auch das Gespräch mit der Politik, um eine faire Lastenteilung zwischen allen Stakeholdern am Gewässer zu erreichen; z. B. durch ein Vergütungsmodell, was gerecht und angemessen die Zusatzaufwendungen und den damit erzielten gesellschaftlichen Nutzen durch die Wasserkraft berücksichtigt.
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Wasserkraft und Umweltschutz bei den BEW
Bei den BEW steht der nachhaltige Betrieb von Wasserkraftanlagen in einem besonderen Fokus. „Natur und Technik im Einklang“ heißt es in einer Ihrer Präsentationen. Können Sie uns einen kurzen Einblick geben, mit welchen Strategien Sie dieses Ziel verfolgen?
Mit unseren Projekten zeigen wir, dass sich Ökologie und Ökonomie in der Wasserkraft gut vereinbaren lassen. Naturschutz, Klimaschutz und Wasserkraft – das gehört für uns untrennbar zusammen. Wir wollen Vorbild für die Wasserkraftnutzung der Zukunft sein. Unser Motto heißt dabei „Neue Wege der Zusammenarbeit“. Wir möchten mit allen Stakeholdern, mit Anwohnern, Umwelt- und Fischereiverbänden, mit Kommunen, Fachbehörden und der Wissenschaft, auf Augenhöhe kommunizieren, deren Kompetenz und Engagement nutzen, um gemeinsame Best-Practice-Lösungen zu finden. Diese Vorgehensweise muss nicht teurer sein und generiert Vorteile für alle Seiten.
Mit der von BEW entwickelten „Ökobermen“ verbinden wir beispielsweise eine Verbesserung des Hochwasserschutzes (Dammsanierung) gleichzeitig mit einer Verbesserung der Ökologie durch Schaffung hochwertiger Gewässerstrukturen. Beim Projekt „INADAR“, das von der EU im Rahmen des Life-Programms gefördert wird, erfolgt derzeit die Erprobung und Bewertung dieser ökologischen Bauweise an zwei Stauräumen an der Donau.
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Auf dem Forum sprechen Sie unter anderem über Zusatznutzen von Wasserkraft, neben der Stromerzeugung. Können Sie uns dafür ein oder zwei Beispiele nennen?
Auf den Beitrag der Wasserkraft zum Hochwasserschutz und zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie bin ich schon eingegangen. Zusätzlich leisten Wasserkraftwerke einen erheblichen Beitrag zum Flussunterhalt und zur Flusssanierung (Sohlstützung, Grundwasseranhebung für Landwirtschaft und Wasserversorgung), zur Gewässerreinhaltung (Rechengutentsorgung) und zur Errichtung und zum Unterhalt der Infrastruktur (Brücken, Wege, Naherholung, Tourismus). Diese Zusatzaufgaben verursachen bei uns ca. 30 Prozent der Erzeugungskosten. Damit wir diese Aufgaben auch in Zukunft zuverlässig erfüllen können, brauchen wir stabile Erlöse.
Vielen Dank für das Interview!