Wasserkraft in Deutschland: Wo liegt noch Potenzial?

Wenn wir über die deutsche Energiewende sprechen, denken wir zuerst an Windkraft und Solarzellen. Auch die Sektorkopplung und der Smart Grid Netze sind mittlerweile ein wichtiges Thema. Doch eine der ältesten erneuerbaren Energiequellen spielt bislang eine eher untergeordnete Rolle: Die Wasserkraft. Schon vor 5000 Jahren kannte man sie in China. Und viele Kulturen setzten sie ein zur Bewässerung von Feldern und als Antrieb für Maschinen. Im 18. Jahrhundert spielten die ersten Wasserräder aus Eisen auch eine wichtige Rolle in der industriellen Revolution. Heute ist sie ebenfalls durchaus noch ein Thema, denn sie verfügt über enormes Potenzial. Zumindest im Ausland. Also warum sprechen in Deutschland so wenige darüber?
Wasserkraft in Deutschland und weltweit
Weltweit liefert die Wasserkraft knapp 17 Prozent des Gesamtbedarfs an elektrischer Energie: Mit jährlich 3.700 Terrawattstunden produziert Wasserkraft 1,5 Mal so viel wie die Kernkraftwerke! Spitzenreit ist dabei China, aber auch die Vereinigten Staaten, Japan und Indien liegen in den Top 10.
Die Top-10-Erzeuger von Wasserkraft aus den Key World Energy Statistics 2016
- China: 1064 TWh, 18,7 Prozent der nationalen Produktion
- Kanada: 383 TWh, 58,3 Prozent der nationalen Produktion
- Brasilien: 373 TWh, 63,2 Prozent der nationalen Produktion
- USA: 282 TWh, 6,5 Prozent der nationalen Produktion
- Russland: 177 TWh, 16,7 Prozent der nationalen Produktion
- Indien: 132 TWh, 10,2 Prozent der nationalen Produktion
- Norwegen: 129 TWh, 96 Prozent der nationalen Produktion
- Japan: 87 TWh, 8,4 Prozent der nationalen Produktion
- Venezuela: 87 TWh, 68,3 Prozent der nationalen Produktion
- Frankreich: 69 TWh, 12,2 Prozent der nationalen Produktion
Für die weltweite Stromversorgung hat Wasserkraft also keine unerhebliche Bedeutung. In Deutschland wurden 2013 knapp 23 Terawattstunden Strom aus Wasserkraft erzeugt. Das macht 4,4 Prozent der nationalen Stromproduktion aus und ist verglichen mit anderen Staaten relativ wenig. Natürlich ist das Potenzial nicht in jedem Land gleich: Es ist abhängig von Niederschlagsmengen und seiner jeweiligen Topographie. Doch trotzdem – was unser Nachbar Frankreich kann, das sollten wir doch auch können, oder?

Wo hat Wasserkraft in Deutschland noch Potenzial?
In Deutschland werden rund 7.300 Wasserkraftanlagen betrieben; die meisten davon haben eine Leistung von unter 100 Kilowatt und die Hälfte davon steht in Bayern, über 80 Prozent in Süddeutschland. Aus einer Studie des Bundesministeriums für Umwelt ging bereits 2010 hervor, dass damit ungefähr 80 Prozent des bestehenden Wasserkraftpotenzials in Deutschland bereits erschlossen sind.
Man rechnet mit ungefähr fünf zusätzlichen Terawattstunden, die vor allem durch die Modernisierung bereits errichteter oder außer Betrieb befindlicher Anlagen erreicht werden könnte. Die Möglichkeiten für den Bau neuer Kraftwerke sind eher eingeschränkt, da als Standorte nur Lagen funktionieren, an denen das Wasser schnell genug fließt, um ihre Turbinen auch zu bewegen. Auch die Themen Umweltschutz und Wasserhaushalt müssen berücksichtigt werden, weshalb der Zubau weiterer größerer Anlagen in Deutschland eigentlich keinen Sinn macht.

Chancen liegen in der Modernisierung von Wasserkraftanlagen
Das Positive an der Sache: Das Erschließen des vorhandenen Potenzials durch die Modernisierung alter Anlagen ist weniger teuer als komplette Neubauten. Zu beachten ist jedoch die Komplexität solcher Unterfangen. Denn schon der Austausch eines einzelnen Teils kann den gesamten Betrieb einer Anlage beeinflussen, deren Einzelteile im Zusammenspiel miteinander funktionieren. Durchschnittlich sind die modernisierungsbedürftigen Anlagen in Deutschland über 40 Jahre alt. Zur Effizienzsteigerung können zum Beispiel Generatoren und Turbinen ausgetauscht oder der Grad der Automatisierung erhöht werden.
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