Vorurteile – haben Sie welche?

Vorurteile? Nein, ich doch nicht! Wir geben uns doch Mühe, Menschen vorurteilsfrei zu bewerten, wenn wir sie kennenlernen – oder? Oft ganz unterbewusst bilden wir uns eine Meinung über einen Menschen, ohne zu hinterfragen, warum wir so denken. Ein Beispiel:
Im Gespräch unter Kollegen: „Der neue Kollege ist sehr nett, findest du nicht auch? Mit dem werden wir uns sicher gut verstehen.“ – „Denkst du? Mir kommt er arrogant und abgehoben vor. Ich habe mich sogar schon gefragt, wie er bloß ins Team passen soll.“
Der gleiche Mensch – zwei völlig verschiedene Meinungen über ihn. Wie kommt das?
Die Sache mit der Brille – wie Vorurteile entstehen
Jeder Mensch hat eine Tendenz, andere durch die Brille seiner eigenen Wünsche und Interessen wahrzunehmen – und die Bedürfnisse des anderen dadurch misszuverstehen.
Für uns ist es oft nur schwer begreiflich, dass andere Menschen andere Wünsche und Interessen haben und vor allem nicht so denken, fühlen und handeln wie wir selbst. Diese Selbstbezogenheit nennt man auch „Self-Hugging“.
Da wir andere Menschen durch unsere eigene Brille beurteilen, entstehen aber „blinde Flecken“ bei unserer Beurteilung von anderen. Wir sehen gerne das, was wir sehen wollen.
Treffen dann in einem Team Menschen mit verschiedenen Werten und Bedürfnissen, Motivationen und Interessen aufeinander, sind sowohl Missverständnisse oder gar Konflikte vorprogrammiert.
Typische Wahrnehmungsfehler
Oft vertrauen wir unserem „Gefühl“ und dem Glauben, dass wir Menschen bereits nach dem ersten Eindruck richtig einschätzen können. An dieser Meinung halten wir oft fest, ohne, dass wir es merken. Doch es gibt einige psychologische Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler, denen wir unbewusst beim Einschätzen von anderen Personen unterliegen:
Der Halo-Effekt
Halo stammt aus dem griechischen und bezeichnet den „Hof“ um eine Lichtquelle.
Im Umgang mit Menschen ist damit gemeint, dass von einem Merkmal eines Menschen auf dessen Persönlichkeitsmerkmale geschlossen wird. Typische Beispiele sind:
- Große Menschen sind stark
- Kleine Männer sind geltungsbedürftig
- Brillenträger sind Streber
Sympathie-/Antipathie-Effekt
Wenn uns jemand besonders sympathisch ist, überhöhen wir ihn in unserer Wahrnehmung. Das gilt auch umgekehrt: Wer uns unsympathisch ist, den schätzen wir kritischer ein. Kriterien, die nicht zu unserer Einschätzung passen, vernachlässigen wir oder interpretieren diese um.
Ähnlichkeits-Effekt
Wenn wir Gemeinsamkeiten mit einer Person haben oder Ähnlichkeiten zu uns selbst feststellen, beurteilen wir diese häufig besser. Ein gutes Beispiel sind zwei Menschen, die über ein gemeinsames Hobby ins Gespräch kommen. Dadurch hat das Gegenüber einen Bonus.
Projektion
Dies ist eine weit verbreitete und heimtückische Fehlerquelle. Wenn wir jemanden kennenlernen, der uns an eine uns gut bekannte Person erinnert, schreiben wir oft unbewusst dieser Person die gleichen Eigenschaften zu. Wenn Ihnen also der neue Kollege gleich unsympathisch ist, weil er sie an den ungeliebten Physiklehrer erinnert, dann sollten Sie vorsichtig sein und Ihr Urteil noch einmal hinterfragen.
Stimmungs-Effekt
Je nachdem, wie wir gelaunt sind, wird unsere Wahrnehmung und Einschätzung beeinflusst. Wenn wir eine Person bei einer ausgelassenen Gartenparty kennenlernen, werden wir sie vermutlich besser beurteilen, als wenn wir der gleichen Person nach einem Zehn-Stunden-Arbeitstag im überfüllten Supermarkt begegnen.
Die Folgen von Vorurteilen
Vorurteile sind gefährlich. Sie können für Konflikte und Anspannungen im Team führen und unser alltägliches Zusammenleben erschweren. Von den schädlichen Auswirkungen lesen wir täglich in den Medien, Fremdenhass und Feindlichkeit gegenüber anderen Religionen können ernste Konsequenzen, basierend auf Vorurteilen. Drei typische Verhaltensweisen, entstehend aus Vorurteilen, sind:
Missverständnisse
„Wie kann die das unterstützen? Das verstehe ich nicht.“
Menschen verhalten sich anders, als man selbst.
Selbst-Illusion
„Ich habe Recht!“
Wir nehmen eine egozentrische Perspektive ein, die eigenen Werte und Verhalten sind das Beste für alle.
Wertetyrannei
„Ich erkläre dir jetzt mal, wie du das machen musst!“
Wir überzeugen und reden, beeinflussen und belehren. Wir versuchen, unsere eigenen Werte anderen „überzustülpen“ und deren Verhalten zu verändern
Wie können Sie es besser machen? 7 Tipps gegen Vorurteile
Damit Sie künftig entspannter und konfliktfreier durch Ihren (Arbeits-)Alltag steuern, ist es wichtig, sich dieser Wahrnehmungsfehler bewusst zu sein. Vor allem als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, die Bedürfnisse und Werte Ihrer Mitarbeitenden zu verstehen, um diese einfacher motivieren zu können und Spannungen im Team aufzulösen.
- Geben Sie sich und anderen Menschen Zeit. Beobachten Sie andere zunächst genau und lernen Sie sie besser kennen. So vermeiden Sie vorschnelle Urteile.
- Machen Sie sich stets bewusst, dass jeder Mensch unterschiedliche Werte, Motive und Interessen hat.
- Wenn Sie meinen, sich einen Eindruck von Ihrem Gegenüber gebildet zu haben, hinterfragen Sie diesen lieber noch einmal. Folgende Fragen helfen Ihnen dabei: Wie haben Sie diesen Eindruck gebildet und aufgrund wovon? Erinnert Sie diese Person an jemanden? Welche Bedeutung hat das Äußere der Person auf Sie?
- Ihnen ist eine Person sympathisch? Achten Sie darauf, keine rosarote Brille zu tragen. Ihnen ist eine Person unsympathisch? Suchen Sie bewusst nach Kriterien, die diese erste Einschätzung widerlegen. Denn somit öffnen Sie sich bewusst für ein neues Urteil.
- Akzeptieren Sie, dass nicht nur Ihre Sichtweise die einzig richtige ist. Vielmehr gibt es mehr als eine Wahrheit.
- Berücksichtigen Sie bei jeder Kommunikation die Perspektive des anderen. Legen Sie öfters Ihre eigene Brille ab und machen Sie sich der Brille des anderen bewusst.
- Extra-Tipp: Vor allem, wenn Ihnen der Kontakt mit einer Person sehr schwer fällt, fragen Sie sich vor Meetings, Telefonaten oder Treffen: „Was schätze ich an dieser Person?“ Sammeln Sie drei bis fünf Eigenschaften, die Sie an Ihrem Gegenüber achten. Sie werden merken, dass Sie nicht nur positiver und entspannter in das Gespräch gehen, sondern sich auch für neue Perspektiven auf den eigentlich ungeliebten Menschen einlassen.