Überschwemmt bald eine Welle von Billigmöbeln den deutschen Markt? 3 Thesen zur Konkurrenz gegen „billig“!

Polen als Konkurrent: Mehr als die Hälfte und fast acht Prozent
58 Prozent der Möbel, die in Deutschland verkauft werden, kommen aus dem Ausland. Das sind Zahlen des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie aus dem Jahr 2015. Auch dieses Jahr sind die Importe weiter gewachsen. Ein ganz wichtiger Player in dieser Statistik? Polen. Die Möbelkultur meldet, dass die Möbelimporte aus Polen in den ersten vier Monaten diesen Jahres um fast 8 Prozent gestiegen sind. Ein Viertel der deutschen Einfuhren kommt dorther.
Der Spiegel schreibt diesbezüglich, der deutsche Möbelmarkt werde „überrollt von Tischen, Schränken und Wohnlandschaften“, die den deutschen Möbelhandel unter einen enormen Preisdruck setzen. Der Spiegel-Autor beschwert sich darüber, dass Einrichtungsgegenstände zur „namenlosen Billigware“ verkommen und stellt die Frage, ob hierzulande der Möbelbau überhaupt noch eine Zukunft habe.
Umsätze in Deutschland und Polen wachsen beide
So kritisch ist die Lage allerdings noch nicht. Wenn man sich die Jahresumsätze von Möbeln „Made in Germany“ anschaut, gibt es auch hierzulande Zuwächse. In den vergangenen Jahren stieg der Umsatz jeweils um rund fünf Prozent. Der Umsatz der polnischen Industrie stieg jedoch zum Vergleich in 2014 um ganze 14 Prozent. Also deutlich rasanter!
Der Grund dafür dürfte im Preis der Waren liegen. Denn während in Polen eine Arbeitsstunde nur gute sechs Euro kostet (Stand: 2013), sind deutsche Arbeitnehmer ungleich teurer. Kein Wunder also, das stärker auf Importe gesetzt wird. Ob die polnischen Möbel dann gleich qualitativ schlechter sein müssen als die deutschen, darf daher bezweifelt werden. Die Arbeit scheint einfach günstiger zu sein.

Die Frage für die Zukunft muss aber lauten:
Wie konkurriert man gegen „billig“?
Expertensurvey: Handelsmarken Forum 2016
Wie konkurriert man nun gegen billig?
Schauen wir uns drei Beispiele an, die das gut illustrieren. Daraus kann man auch für die Möbelbranche Thesen ableiten.
1. Netflix (& Co)
Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es eine Situation, die Filmemacher, aber auch die Musikindustrie und andere Anbieter von geschütztem Content ziemlich auf die Barrikaden trieb. Das war die Zeit, als die ersten Filesharing-Angebote aufkamen und vermeintliche Kunden plötzlich Musik, Filme, Bücher und andere Kulturgüter fröhlich im Netz tauschen konnten. Natürlich sahen die Macher durch diese Art des Konsums keinen Cent. Daraufhin fing die Content-Industrie an, ihre Kunden zu verklagen, und man hörte oft den Satz: „Wir können ja nicht gegen kostenlos konkurrieren.“
Piracy: It’s a Crime. Lange Zeit liefen diese Spots vor fast jedem Kinofilm.
Währenddessen überlegten sich Dritte, warum die jungen Menschen plötzlich anfingen Kultur zu tauschen, und kamen zu einem anderen Schluss: Sie machten das nicht, weil sie die Produkte kostenlos bekommen, sondern weil es einfacher ist, als Content zu kaufen. Und sie unterstellten: Man muss den Verkauf wieder nutzerfreundlicher gestalten, dann geben die Menschen auch wieder Geld aus. Bei Streaming-Anbietern wie Netflix, Steam oder Spotify hat man heute die Möglichkeit, seinen Content ganz einfach zu erwerben oder zu abonnieren. Für wenige Euro im Monat bekommt man bei Spotify beispielsweise einen riesigen Musikkatalog. Natürlich könnte man sich den auch woanders illegal herunterladen – aber das wäre schwieriger, also weniger nutzerfreundlich. Der Erfolg der Dienste und ihre Nutzerzahlen zeigen: Sie hatten Recht.
Der Business Insider erklärt den Erfolg des Netflix-Modells.
These 1:
Je einfacher man es potenziellen Kunden macht, das eigene Angebot zu nutzen, desto größere Chancen hat man, sie für sich zu gewinnen. Anwendbar auf Themen wie Online-Handel, Kundenservice, Lieferung.
2. Konzerte, Fußball, die Kneipe ums Eck
Man könnte also nun Zuhause sitzen, die ganze Zeit Musik auf Spotify hören und dabei günstiges Bier aus der Dose trinken. Das ist auf jeden Fall einfacher und günstiger, als auf ein Konzert zu gehen. Daher steht die Frage im Raum: Warum gehen Leute lieber mit Freunden in die Kneipe oder auf ein Konzert? Oder warum schauen sie ein Fußballspiel lieber im Stadion, als in der Kneipe?
Mit Konzerten wird in Deutschland jährlich ein Milliardenumsatz erwirtschaftet. Die Zuschauerrekorde der Fußball-Bundesliga steigen seit Jahrzehnten stetig. Das muss einen Grund haben. Die Lösung des Rätsels: Der Besuch eines Fußballspiels oder eines Konzerts bietet mir einen Mehrwert, den ich durch die Alternative nicht erhalte.

Ich bekomme im Stadion eine besondere Atmosphäre, kann mir beim Konzert vielleicht ein Autogramm holen oder mit den Künstlern sprechen, kann mich in der Kneipe bedienen lassen und ein Pils vom Fass trinken. Die Leistungen, die ich dort erhalte, sind für die Erlebnisse exklusiv.
These 2:
Wenn man etwas Besonderes oder Exklusives bietet, kann man günstigere Alternativen trotz eines höheren Preises und einer weniger einfachen Nutzung ausstechen. Anwendbar auf Themen wie Filialkonzept, Produktgestaltung, aber auch Kundenservice.
3. Luxusversprechen und Marketing
Das ist mehr als eine These und das haben wir auf dem letzten Handelsmarken Forum gelernt: Starke Marken schaffen es, sich zu behaupten. Nicht obwohl, sondern weil sie teurer sind. Denn der höhere Preis spielt eine Rolle bei der Image-Bildung. Große Marken schaffen Emotion, Vertrauen und Werte, die auch bei den Konsumenten ankommen. Und die erwarten geradezu, dass sich das auch im Preis niederschlägt.
Ein Beispiel dafür ist der Lebensmitteleinzelhandel: dort wird der Markt derzeit von einer Vielzahl an Handelsmarken überschwemmt, die mittlerweile qualitativ genauso gut, jedoch günstiger sind, als die Markenprodukte. Mit den Premium-Handelsmarken werden sogar gezielt Marken im oberen Preissegment angegriffen. Dennoch können sich gerade die Top-Marken gegenüber diesen behaupten, während vor allem die schwächeren „Mitte-Marken“ verlieren.
These 3:
Eine starke Marke, die Emotionen und Vertrauen beim Kunden weckt, kann sich auch gegen günstige *und* hochwertige Produkte durchsetzen, die ein schwächeres Image haben.