Was Sie über die Suche nach den richtigen Produktionskennzahlen wissen sollten!

Für viele Produktionsbetriebe ist die Suche nach den richtigen Produktionskennzahlen eine Herausforderung. Was sollten die Kenngrößen mitbringen, wie lassen sich diese auf dem Shopfloor nutzen und wie gehen Führungskräfte mit Widerständen in der Belegschaft um? Christina Hellermann stellt uns Ihre Ideen vor.
Christina Hellermann arbeitet seit zehn Jahren für die Stricker GmbH & Co. KG. Stricker entwickelt, produziert und vertreibt in den drei Geschäftsbereichen Gummitechnologie, Torsysteme sowie Arbeitswelt + Industrietechnik passgenaue Kundenlösungen. Als Produktionsleiterin Torsysteme verantwortet sie seit 2015 die Produktion, die Arbeitsvorbereitung sowie die Logistik. Darüber hinaus treibt Christina Hellermann als Projektleiterin Lean Management Projekte für den Bereich Torsysteme voran und ist sehr erfahren im Gestalten und Umsetzen von optimierten Prozessabläufen.
Frau Hellermann, wie lässt sich Ihrer Meinung nach ein funktionierendes Kennzahlensystem aufbauen?
Ein funktionierendes System für Produktionskennzahlen lässt sich nur top-down aufbauen. Das Unternehmen muss einer klaren Vision folgen, die sich in untergeordnete Ziele teilen lässt. Die Aufgabe der Führungskräfte ist es nun, in enger Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern diese erreichbaren Ziele in messbare Kennzahlen umzuwandeln. Die Kennzahlen müssen so gestaltet werden, dass jede Stelle in einem Unternehmen die Möglichkeit bekommt aktiv und direkt Einfluss auf die Erreichung dieser Ziele zu nehmen.
Produktionskennzahlen werden aber nicht für die Ewigkeit geschaffen. Man sollte sie jederzeit nachjustieren, projektbezogen anwenden oder auch vereinzelt ad acta legen können. Wenn sich ein Prozess oder die Rahmenbedingungen verändern, müssen sich die Kennzahlen auch anpassen lassen können.
Ein funktionierendes Kennzahlensystem sollte kein dauerhafter Blick in den Rückspiegel sein, sondern es soll Handlungsimpulse geben, die das Unternehmen an die Spitze bringen und die selbst gewählten oder die von außen vorgegebenen Ziele zu erreichen.
Produktionskennzahlen müssen dynamisch sein
Welche Kennzahlen nutzen Sie in der Praxis und was lässt sich daraus für den Shopfloor ableiten?
Mit den Produktionskennzahlen verhält es sich im Prinzip ähnlich wie mit den Messinstrumenten in einem Flugzeugcockpit. Dem Piloten stehen jederzeit alle Messgrößen zur Verfügung, aber so lange diese sich im grünen Bereich und in der selbstgewählten Toleranz befinden, erhalten sie weniger Beachtung. Nur bei einer Toleranzabweichung schreitet der Pilot aktiv ein, um mögliche negative Folgen seines (Nicht-)Handelns zu vermeiden.
Diese Frage muss somit teamindividuell und situationsbedingt entschieden werden. Auf dem Shopfloor in unseren Regelkommunikationen wollen wir effizient alle benötigten Informationen austauschen, um einen bestmöglichen Überblick über die aktuelle Situation zu geben und daraus konkrete Maßnahmen für unser Handeln abzuleiten. Dies bedeutet, wenn beispielsweise ein Qualitätsthema in der Produktion im Fokus steht, müssen die relevanten Kennzahlen für dieses Ziel und dieses Team in den Vordergrund rücken, zum Beispiel die Fehlerursachenanalyse Produktion.
Für die langfristige Erfolgskontrolle nutzen wir die Entwicklung der Kennzahlen. Die einzelne Kennzahl an sich zeigt nur eine Momentaufnahme. Die Entwicklung der Produktionskennzahlen gibt einen Überblick, ob die getroffenen Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden konnten. Bei einer negativen Entwicklung sollte man den Blick auf die vorangegangenen Entscheidungen nochmals schärfen und diese nachjustieren.
Zur besseren Übersicht und zur Bewertung aller Maßnahmen bietet sich in jedem Fall ein strukturierter, einheitlicher Maßnahmenplan an, der nach dem PDCA- Modell aufgebaut ist. Damit werden die notwendige Transparenz, Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit innerhalb eines Teams und mit dessen Schnittstellen geschaffen.
Oft sind sie, wenn sie für sich alleine stehen, erklärungsbedürftig und erzeugen ohne konkrete Aufgabenstellung keinen adressierten Handlungsimpuls.
Widerstände in der Belegschaft meistern
Was raten Sie im Umgang mit fehlender Veränderungsbereitschaft?
Widerstand ist etwas Natürliches. Der Mensch als Individuum ist stets auf Stabilität ausgerichtet.
Wenn wir nun also hochmotiviert unsere Mitarbeiter mit Veränderungen konfrontieren, müssen wir uns bewusst sein, dass wir diese innerhalb der Organisation gelebte Stabilität ins Wanken bringen werden. Dabei dürfen wir nicht davon ausgehen, dass unsere Sicht der Dinge der Wahrnehmung unserer Mitarbeiter entspricht. Wir dürften nicht einmal davon ausgehen, dass die eigene Wahrnehmung der einer anderen Führungskraft gleicht. Meist ist dies erst einmal eine frustrierende, demotivierende Erkenntnis.
Was sollte man also tun, um aus dem starren Zustand des Widerstands in einen gelebten Veränderungsprozess zu kommen? Man muss dem Widerstand besonders auf der Beziehungsebene begegnen. Es muss eine Unternehmenskultur geschaffen werden, die auf gemeinsamen Werten basiert: Vertrauen, Gemeinsamkeit, Wertschätzung. Auf dieser Grundlage kann dann Transparenz, Verständnis und letztlich auch Konsequenz aufgebaut werden. Ein steiniger Weg, der sicherlich mit einer Menge Arbeit, einigen Rückschlägen und vielen Erfahrungswerten verbunden ist.
In der modernen Führung von Mitarbeitern sollten wir als Führungskräfte vorleben wie wir uns diese Unternehmenskultur vorstellen. Auch wir sollten uns Perspektivwechsel erlauben, um uns eine gewisse Durchlässigkeit zu erarbeiten und starre Denkmuster aufzubrechen. Wir müssen uns (und das Team) bewusst immer wieder mit unangenehmen Themen konfrontieren, um kontrollierte Konfliktsituationen in einem geschützten Raum zu erschaffen, die es uns erlauben das bisher ungenutzte Potential durch konstruktiv-kritisches Hinterfragen aufzudecken und die vorhandene Energie in eine kontinuierliche Verbesserung umzuwandeln.
Umso wichtiger ist es bereits die kleinen Erfolge gemeinsam umzusetzen und zu würdigen. Die daraus gewonnene Erkenntnis, dass die sagenumwobenen „Das wird sich nie ändern“- Prozesse oder gefühlten Restriktionen doch veränderbar sind und dieses auch expliziert gewollt ist, wird dazu führen, dass jeder Mitarbeiter für sich, seinen Arbeitsbereich sowie sein Handeln und damit auch für das Unternehmen Verantwortung übernehmen wird.
Die Motivation, um den eigenen inneren Widerstand niederzulegen und die Möglichkeit aktiv den Veränderungsprozess mitgestalten zu können, muss jeder für sich selbst finden – unabhängig der hierarchischen Stellung.
Das Unternehmen beziehungsweise die Organisation stellt, bildlich gesprochen, somit nur die Leitplanken und die Wegweiser auf. Das Tempo und die Streckenführung müssen alle gemeinsam gestalten. Geisterfahrer oder Verkehrsrowdys müssen allerdings mit Strafzetteln und Konsequenzen rechnen.