New Work & Arbeitsrecht: Wie neue Arbeitsmodelle Arbeitsstrukturen verändern

Wenn Arbeitsmodelle und -strukturen sich verändern, dann ist es wichtig, dass Sie als Arbeitgeber auch die Regeln und Rahmenbedingungen entsprechend anpassen. Dennis Lüers LL.M. teilt ein paar Ideen mit Ihnen, wie sich Bestandteile von Arbeitsverträgen in Zeiten von New Work verändern sollten, um Konflikte zu vermeiden und wie Sie modernen Arbeitswelten aus arbeitsrechtlicher Sicht begegnen könnten.
Dennis Lüers LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Arbeitsrechtskanzlei vangard. Als Experte für betriebsverfassungsrechtliche und tarifrechtliche Fragestellungen berät er Unternehmen insbesondere im Rahmen von Restrukturierungs- und Change Management-Projekten sowie in betrieblichen Einigungsstellenverfahren.
New Work: Einhaltung der Gesetze immer schwieriger
Welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten ergeben sich Ihrer Meinung nach im Rahmen von New Work?
Der klassische Nine-to-five-Job, welcher an einem festgelegten Ort und zu einer bestimmten Zeit verrichtet wurde, existiert in vielen Branchen nicht mehr. Die Digitalisierung des Produktions- und Dienstleistungssektors hat zur Entgrenzung der Arbeit in zeitlicher und räumlicher Hinsicht geführt und ermöglicht dem Arbeitnehmer eine zeit- und ortsunabhängige Erbringung der Arbeitsleistung sowie den unbeschränkten Zugriff auf alle arbeitsrelevanten Informationen.
Für Sie als Arbeitgeber hat diese Veränderung zur Folge, dass es für Sie schwieriger wird, gesetzlichen Anforderungen wie den starren Grenzen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) bei der Beachtung der Höchstarbeitszeit und der Ruhepausen, sowie arbeitsplatzspezifischen Gefährdungen Rechnung zu tragen. Dementsprechend ist sind Sie gefordert, geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen, wenn der Arbeitnehmer aus dem Home Office, dem Flugzeug oder dem Zug arbeitet.
Neue Strukturen sind nötig, um Anforderungen zu erfüllen
Wie können Unternehmen diesen neuen Anforderungen gerecht werden?
Neben der Verankerung von flexiblen Arbeitszeiten und Anforderungen an das mobile Office beziehungsweise das Homeoffice im individuellen Arbeitsvertrag ist es sehr hilfreich, diesbezüglich Betriebsvereinbarungen zu treffen. Diese sollten auf die betrieblichen Bedürfnisse sowie auf die Anforderungen an die mobile Arbeitswelt zugeschnitten sein und beispielsweise die Möglichkeit für die Arbeitnehmer regeln, gelegentlich oder an festgelegten Wochentagen außerhalb des Betriebes tätig zu sein (ganztätig oder tagesanteilig).
Darüber hinaus bietet sich die Vereinbarung von verbindlichen Regelungen des mobilen Arbeitens an. So sollten Sie vereinbaren, welche Aufgaben für die mobile Bearbeitung geeignet sind und wie eine Teilnahme an Teambesprechungen zu erfolgen hat. Zudem könnte auch die Anzahl der Arbeitstage oder die maximale Stundenanzahl in mobiler Arbeit festgelegt werden. Entscheidend ist, dass Sie als Arbeitgeber die Möglichkeit der Schaffung neuer Strukturen ergreifen, um so den gewandelten Anforderungen im Arbeitsrecht gerecht zu werden.
Der Betriebsrat als wichtiger Partner
Welche Rolle haben Betriebsräte in der Transformation?
Der Betriebsrat hat regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um die betriebliche Ordnung und die Regelung des Mitarbeiterverhaltens geht. Ihm kommt zwar kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung von Home- oder Mobile-Office-Vereinbarungen zu. Jedoch ist er ein wichtiger und unablässiger Partner bei der näheren Ausgestaltung von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen jegliche Einzelheiten der Umsetzung wie beispielweise die Bandbreiten zu frühestmöglichem Anfangs- und den spätestem Beendigungszeitpunkt der täglichen Arbeitszeit, Kernzeiten und Lage der Pausen verhandeln. Darüber hinaus hat der Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber über Schutzmaßnahmen zu entscheiden, die im Anschluss einer Gefährdungsbeurteilung des (Heim-)Arbeitsplatzes zu treffen sind.
Klare Regeln verhindern Konflikte
Haben Sie ein paar Tipps wie New Work möglichst konfliktfrei ablaufen kann?
Rahmenbedingungen schaffen Klarheit und Rechtssicherheit, sodass jedem einzelnen Mitarbeiter bewusst ist, welches Verhalten erlaubt ist und welches nicht geduldet wird. Die Vereinbarung von Erreichbarkeitsregelungen, die explizit den zeitlichen Umfang der Erreichbarkeit und das „Recht auf Nichterreichbarkeit“ regeln, schafft ein gemeinsames Verständnis für die Grenzen der Aufgabenerledigung. Ich rate Ihnen, durch transparente Maßgaben beziehungsweise durch Offenbarung der gesetzlichen Anforderungen, das Verständnis für die Einhaltung bei den Mitarbeitern zu sensibilisieren. Nicht zuletzt ist der Arbeitgeber oftmals auf das Mitwirken seiner Mitarbeiter angewiesen, wie bei Erfüllung der Aufzeichnungspflicht der geleisteten Arbeitsstunden nach § 16 ArbZG, sodass es unbedingt einer transparenten und vertrauensvollen Zusammenarbeit bedarf.
Veränderungen ja – aber auch gerne befristet
Worauf sollte man aus Ihrer rechtlichen Sicht achten, welche Fallstricke vermeiden?
Etwaige Arbeitszeitverstöße müssen unbedingt verhindert werden, indem der Arbeitgeber die Arbeitsleistung außerhalb der Grenzen des ArbZG ausdrücklich verbietet und nicht duldet. Eine weitergehende Kontrolle über die Arbeitszeit kann notfalls auch durch die Abschaltung des Server-Zugangs außerhalb eines bestimmten Arbeitszeitrahmens oder durch die Erfassung von Log-In-Zeiten erreicht werden. Außerdem sollten arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarungen unbedingt befristet werden (beispielsweise auf ein Jahr), um die erfolgreiche Umsetzbarkeit testen zu können.
Nur wenn die Mitarbeiter wissen, in welchen gesetzlichen Grenzen sie ihre Arbeit erbringen können, kann New Work rechtssicher eingeführt und umgesetzt werden.