Lean Management und kein Ende: Auf dem Weg zum Lean Business System mit der Change Formel

Kathrin Saheb gibt in ihrem Artikel einen spannenden Einblick, warum Lean Management tatsächlich noch sehr aktuell ist und wie Sie die Implementierung mit einer einfachen Faustformel in Ihrem Bereich umsetzen können.
Kathrin Saheb ist Inhaberin Saheb Consulting mit Schwerpunkt Lean Management Consulting, Training und Coaching und Autorin der Publikation „Lean Administration Schritt für Schritt“. Außerdem ist sie Head of OPX Campus bei der thyssenkrupp Academy und verantwortlich für das konzernweite Qualifikationsprogramm zum thyssenkrupp Produktionssystem.
Warum beschäftigen wir uns immer noch mit Lean Management? Seit der Veröffentlichung von Womack und Jones* in den 90er Jahren des letzten Jahrtausends gibt es kaum noch Unternehmen, die das Thema Lean noch nicht auf der Agenda hatten. Wäre es nicht langsam Zeit sich anderen, neueren und innovativeren Managementansätzen zuzuwenden?
Lean Management ist weiterhin aktuell
Ein wichtiges Argument dagegen ist, das Lean Management nicht aus klar definierten Projekten mit konkretem Anfang und Ende besteht, sondern bei erfolgreicher Implementierung in den Aufbau einer neuen, „Lean“ Unternehmenskultur mündet, die ständig weiter zu entwickeln und zu verbessern ist. Und das ist oft noch nicht gelungen. Viele Lean Initiativen sind im Stadium der Optimierung einzelner Unternehmensbereiche, meistens mit Start in der Fertigung. Aber um die mit Lean verbunden Potentiale komplett zu heben, sollten alle Bereiche nach Lean Kriterien gestaltet und das Lean Business System eingeführt werden. Denn Verschwendung und unabgestimmte Prozesse findet man ja nicht nur in der Produktion, sondern meistens auch in allen anderen Unternehmensbereichen.

Oft wird auch übersehen, dass jede Lean Implementierung substantielle Verhaltensänderungen von den Mitarbeitern und Führungskräften erfordert. Und für Verhaltensänderungen braucht man mehr Zeit und Unterstützung als für die Einführung neuer Tools und Techniken. Dazu gibt es eine sehr hilfreiche Change Formel von zwei amerikanischen Soziologen (Dannemiller & Tysen**), mit der die Erfolgsaussicht einer Veränderung im Vorfeld bewertet werden kann und aus der ersichtlich wird, an welchen Schalthebeln der Veränderungsprozess noch konkret unterstützt werden sollte.
Diese Formel lautet:
Für jede erfolgreiche Veränderung braucht man also ein gewisse Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation sowie eine Idee, wie es besser sein könnte und den Glauben, dass Verbesserungen im eigenen Unternehmen auch realisierbar sind.
Mit dieser Formel können neben der gesamten Lean Implementierung auch alle kleineren und größeren Teilprojekte bewertet und geplant werden. Nehmen wir als konkretes Beispiel die Einführung von 5S auf dem Shopfloor. Meistens ist die Begeisterung der Mitarbeiter dafür zunächst überschaubar. Aber je größer der zu erwartende Widerstand, desto hilfreicher ist die Arbeit mit der Formel. Zunächst gilt es herausfinden, wo die Mitarbeiter selbst mit ihren Abläufen oder dem Arbeitsumfeld unzufrieden sind (Dissatisfaction). Dann ist es die Aufgabe des 5S Moderators oder der Führungskraft, die Mitarbeiter für mögliche Verbesserungen zu begeistern (Vision) und ihnen gleichzeitig Unterstützung bei der Umsetzung von Verbesserungen zu zusichern (First Steps). Bei einer 5S Einführung könnten mit der Formel beispielsweise die folgenden Punkte gemeinsam herausgearbeitet werden:
Der anfängliche Widerstand wird in der Regel so deutlich reduziert und durch motivierte Mitarbeiter können Lean Projekte reibungslos umgesetzt werden.
Um jetzt wieder auf die Eingangsfrage nach der Aktualität des Lean Management zurückzukommen: Ja, Lean ist nach wie vor brandaktuell und es bleibt noch sehr viel zu tun auf dem Weg zur Lean Company und zum Lean Business System.
Rückblick Production Systems 2019
Literatur:
* Womack, Jones: Die zweite Revolution in der Automobilindustrie, 1992
** siehe in Doppler, Unternehmenswandel gegen Widerstände, Frankfurt 2014