Industrie 4.0 – eine Herausforderung für Geschäftsführungen und Betriebsräte

- 1.Eckhard Eyer über neue Wege beim Leistungsentgelt in der Industrie 4.0
- 2.Industrie 4.0: Manteltarifverträge müssen auf den Prüfstand findet Eckhard Eyer
- 3.Die Leistungskennzahlen in der Industrie haben sich gewandelt
- 4.Industrie 4.0 – eine Herausforderung für Geschäftsführungen und Betriebsräte
- 5.Industrie 4.0: Leistungskennzahlen mit Algorithmen generieren [Gastbeitrag]
- 6.Leistungsentgeltmethoden im Umbruch?
- 7.Moderne Fabrik und Lean: Mitarbeiterführung in der mobilen Arbeitswelt
- 8.Hat das Leistungsentgelt in der Industrie 4.0 ausgedient?
- 9.Flexibilität in der Industrie 4.0
- 10.Menschliche Leistung in der Mensch-Maschinen-Kollaboration
- 11.Overall Equipment Effectiveness und Arbeitsproduktivität als Kennzahlen moderner Produktionsunternehmen
- 12.KPI zur Messung von Leistung: Wertschöpfung je Stunde
- 13.Zuschläge und Prämien: Darauf sollten Sie bei der Entgeltpolitik achten
Nicht nur das produzierende Gewerbe steht vor der Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung, sondern auch der Einzelhandel. Die strategische Ebene eines Betriebes, die Geschäftsleitung und auch der Personalbereich, muss sich auf die neuen Anforderungen einstellen. Der Experte Eckhard Eyer hat uns in diesem Teil seiner Kolumne auf die Herausforderungen für Unternehmensleitung und Betriebsräte im Rahmen von Industrie 4.0 aufmerksam gemacht.
Eckhard Eyer studierte Maschinenbau in Kaiserslautern und Betriebswirtschaftslehre in Mannheim. Nach Stationen in der Industrie arbeitete er von 1989 bis 1997 im Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (IfaA) in Köln, im Fachbereich Entgeltgestaltung. Er ist Inhaber der Perspektive Eyer Consulting, Köln, mit dem Arbeitsschwerpunkt: Beratung bei der Gestaltung und Umsetzung von Führungs- und Entgeltsystemen, insbesondere von Leistungsentgeltsystemen. Dabei begleitet er Unternehmen von der Problemstellung über die gemeinsame Projektgruppenarbeit von Management und Betriebsrat bis hin zum Abschluss der Betriebsvereinbarung und der Schulung von Führungskräften und Mitarbeitern. Eckhard Eyer ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Vergütungsthemen, führt Seminare und betriebliche Workshops durch und ist Lehrbeauftragter an der Universität Trier.
Die Einführung der Industrie 4.0 ist eine längerfristige Herausforderung für die Unternehmen. Gefordert sind Geschäftsleitung, Führungskräfte, Mitarbeiter und Betriebsräte in vielfacher Hinsicht mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im Einzelnen sind es insbesondere
In vielen Veröffentlichungen, Vorträgen und Seminaren stehen die technologischen und organisatorischen Aspekte, die Qualifizierung der Mitarbeiter und die von ihnen geforderte Flexibilität – aus nachvollziehbaren Gründen – im Vordergrund.
Die Veränderungen sind bereichsübergreifend
Ein wichtiger Aspekt, der meines Erachtens in der breiten Diskussion in den Unternehmen noch nicht den Stellenwert hat, der ihm gebührt, ist die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat zum Wohle des Unternehmens und der Mitarbeiter. Die revolutionären Veränderungen in der Industrie 4.0 verändern die Arbeitswelt erheblich, auch wenn die Veränderungen in kleineren Schritten daher kommen. Auf die Betriebsräte kommen neue Herausforderungen zu, denn sie tragen eine große Verantwortung für die Gestaltung der Arbeitswelt von morgen. Sie haben beispielsweise bei den Themen betriebliche Gestaltung der Arbeitszeit, Betriebs- und Maschinendatenerfassung sowie der Auswertung der Daten, Datenschutz und der Messung der individuellen Mitarbeiterleistung ein Mitbestimmungsrecht.
Die Erfahrung im Einzelhandel unter dem Schlagwort „Future Store“ seit 2003 – wir würden heute wahrscheinlich vom „Einzelhandel 4.0“ sprechen – als die METRO AG in ihrem damaligen extra-Markt den Einzelhandel der Zukunft erprobte, zeigt, wie wichtig die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Betriebsrat bei so innovativen Themen von Anfang an ist. Die Betriebsräte – und auch Vertreter der Gewerkschaft ver.di – wurden rechtzeitig in die Überlegungen und Planungen des Vorstandes einbezogen. Mit ihnen wurde das Ziel des „Future Store“ diskutiert, mit dem man die Technologie in Logistik und Markt, die Auswirkungen auf das Kundenverhalten und die Akzeptanz des „Future Stores“ durch die Kunden selbst testen wollte. Darüber hinaus galt es, die Auswirkungen auf die Steuerung der Kunden und das Sortiment, die Qualifikation und Anzahl der Mitarbeiter zu analysieren und zu bewerten. Die Chancen und Risiken des „Future Store“ wurden bereits in der Planungsphase aufgezeigt, die Frage gestellt „Was passiert wenn nichts passiert“, und gemeinsam zukunftsweisende Regelungen und Betriebsvereinbarungen erarbeitet, die bei Bedarf weiterentwickelt wurden. Vorstand und Betriebsrat gingen den Weg zum „Future Store“ von Anfang an gemeinsam und konstruktiv.
Abb. 1: Einzelhandel 4.0 oder der „Future Store“
Gemeinsam gestalten und sich gegenseitig qualifizieren
Damit die Einführung der Industrie 4.0 nicht auf die Fokussierung von Technik, Organisation, Ergonomie, die Mensch-Maschine Kollaboration sowie Flexibilität der Mitarbeiter beschränkt wird, nur damit am Ende bei der Gestaltung der mitbestimmungspflichtigen Themen beim Management ein „böses Erwachen“ einsetzt, bedarf es guter Voraussicht. Weil wegen nachzuholender komplexer Informations- und Diskussionsprozesse eine Entschleunigung oder gar Blockade der Einführungsprozesse einsetzt, ist es essenziell, die Betriebsräte bereits in der Planungs- und Gestaltungsphase mit einzubeziehen und auch an der Lösung der anstehenden Herausforderungen zu beteiligen. Umgekehrt ist es auch wichtig, dass sich die Betriebsräte – gegebenenfalls mit Unterstützung ihrer Gewerkschaft –mit dem Thema Industrie 4.0 aktiv auseinandersetzen und bereit sind, konstruktiv mit dem Management zusammenzuarbeiten. Der Volksmund sagt: „Nur gemeinsame Probleme führen zu gemeinsamen Lösungen“. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Betriebsräte, ebenso wie das Management und die Mitarbeiter, in diesen gemeinsamen Prozessen qualifizieren. Damit sind sie auch in der Lage, anstehende Entscheidungen sachlich fundiert zu fällen und gegenüber den Mitarbeitern – die die Wähler des Betriebsrates sind – zu vertreten.