Gefährdungsbeurteilung im Betrieb: So geht Explosionsschutz heute

Für Produktionsbetriebe mit explosiven Stoffen ergeben sich besondere Anforderungen an die Dokumentation. Dr.-Ing. Michael Sippel hat uns heute verraten, was Explosionsschutz-Dokumente beinhalten sollten und wie die Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden muss.
Dr.-Ing. Michael Sippel ist seit 2005 als Sachverständiger für Explosionsschutz und Anlagensicherheit bei der DEKRA Testing and Certification GmbH beschäftigt. Er ist heute als stellvertretender Leiter und Mitarbeiter der Zugelassenen Überwachungsstelle (ZÜS) der DEKRA Testing and Certification GmbH im Bereich der Prüfung überwachungsbedürftiger Anlagen nach Betriebssicherheitsverordnung tätig. Ferner ist er im Rahmen seiner Arbeit als Fachstellenleiter und Fachzertifizierer bei der Notifizierten Stelle der DEKRA Testing and Certification GmbH für die Produktprüfung nicht-elektrischer Geräte und Schutzsysteme gem. Richtlinie 2014/34/EU verantwortlich.
Gefährdungsbeurteilung im Überblick
Worauf kommt es beim Inhalt und dem Aufbau von Explosionsschutz-Dokumenten an?
Das Explosionsschutzdokument stellt die Dokumentation des Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 6 Absatz 9 GefStoffV dar.
Bei der Dokumentation hat der Arbeitgeber die Gefährdungen durch gefährliche explosionsfähige Gemische besonders auszuweisen. Daraus muss insbesondere hervorgehen,
1.
dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind
2.
dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um die Ziele des Explosionsschutzes zu erreichen (Darlegung eines Explosionsschutzkonzeptes)
1.
ob und welche Bereiche in Zonen eingeteilt wurden
3.
dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind
4.
für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen getroffen wurden
5.
wie die Vorgaben für die Zusammenarbeit verschiedener Firmen umgesetzt werden und
6.
welche Prüfungen zum Explosionsschutz nach Anhang 2 Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung durchzuführen sind
Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren.
Insbesondere bei Tätigkeiten mit einem vergleichsweise hohen Gefährdungspotenzial ist eine ausführliche und nachvollziehbare Dokumentation des Explosionsschutzkonzeptes im Explosionsschutzdokument wichtig. Bei komplexen verfahrenstechnischen Prozessen mit einer Vielzahl an Explosionsgefährdungen ist die oft praktizierte „Kreuzchenliste“, die als Explosionsschutzdokument deklariert wird, nicht ausreichend und lässt die Herleitung der einzelnen Explosionsschutzmaßnahmen im Dunkeln.
Zündgrößen, Zündtemperatur und Co.
Welche Kenngrößen spielen eine Rolle und wie ermittelt man diese?
Kenngrößen, die in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielen, sind unter anderem die Zündtemperatur, die bei Stäuben noch differenziert wird in Mindestzündtemperatur abgelagerter und aufgewirbelter Stäube, ferner Mindestzündenergie.
Diese Kenngrößen erlauben eine Einschätzung, welche Bedingungen hinsichtlich Temperatur (Zündtemperatur) und Zündenergie (Mindestzündenergie) notwendig sind, um das jeweilige Gas/Luft-, Dampf/Luft- oder Staub/Luft-Gemisch zu entzünden.
Für Staub/Luft-Gemische werden die Kenngrößen noch um solche ergänzt, die das Brand- und Selbstentzündungsverhalten des Staubs charakterisieren. Auch diese Aspekte sind für die Definition geeigneter Explosionsschutzmaßnahmen wichtig, da jeder Brand bei Anwesenheit explosionsfähiger Atmosphäre auch als eine wirksame Zündquelle mit hohem Zündinitial aufzufassen ist, die dann zu kritischen Explosionsabläufen führen kann.
Zu beachten ist, dass diese Kenngrößen jeweils unter normativen in der Regel atmosphärischen Bedingungen in Laborversuchen ermittelt werden. Der „reale“ verfahrenstechnische Prozess im großtechnischen Maßstab kann jedoch von diesen Bedingungen und Zuständen erheblich abweichen, so dass die Anwendbarkeit der oben genannten Kenngrößen unter Umständen nur eingeschränkt oder nicht ohne Zusatzuntersuchungen möglich ist.
Die Vermeidung von Zündquellen
Haben Sie ein paar konkrete Tipps für die Praxis, die man schnell umsetzen kann?
Es handelt sich bei dieser Maßnahme um eine vorbeugende Explosionsschutzmaßnahme, welche eine Gemischzündung mit einem ausreichend hohen Maß an Sicherheit verhindern soll. Ein wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang einerseits die oben erwähnte Ermittlung der explosionsschutztechnischen Kenngrößen und auf der anderen Seite das detaillierte Know-how über den jeweiligen Prozess, der zu Explosionsgefährdungen führen kann.
Ohne Kenntnis dieser beiden Dinge, ist eine Definition von Maßnahmen zur Vermeidung wirksamer Zündquellen nicht möglich. Notwendig ist hier, dass sowohl die verfahrenstechnischen Experten, die den individuellen Prozess kennen und die Sicherheits-, beziehungsweise Explosionsschutz-Experten zusammenfinden und die Frage beantworten: