Zu den Schwächen der Preisanpassungsklausel für Fernwärme

Warnschuss vor Gericht
Morgens um zehn im Gerichtssaal. Der Kläger scheint aufgebracht zu sein. Neben seinem Anwalt sitzt er mit einer dicken Akte, auf deren Rücken „Wichtig!“ steht und spricht von „Geldschneiderei“ und „Wucher“. Er wirft mit Zahlen nur so um sich, bis allen im Saal der Kopf schwirrt. Klar wird nur: Der Kläger meint, dass er zu viel für die Fernwärmeversorgung seines Mietshauses zahlt. In A-Stadt wäre der Fernwärmepreis rund 30% günstiger. In B-Dorf dagegen gilt kein Anschluss- und Benutzungszwang, da könnte der Kläger einfach auf eine Gastherme umsteigen.
Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Partner der überörtlichen Sozietät Becker Büttner Held am Standort Berlin, die sich auf Energie- und Infrastrukturrecht spezialisiert. Dort ist sie insbesondere zuständig für das Immissionsschutzrecht und das Emissionshandelsrecht, weitere Bereiche des Umweltrechts sowie das allgemeine Verwaltungsrecht. In diesen Bereichen berät sie Unternehmen der Energiewirtschaft sowie verschiedenster Industriebranchen. Sie ist Autorin zahlreicher Fachpublikationen, insbesondere im Immissionsschutz- und Emissionshandelsrecht.
Neben mir, der Anwältin des beklagten Stadtwerks, sitzt dessen Leiter Fernwärme und zieht den Kopf ein. Das lautstarke Lamento des Klägers mag wenig echte Argumente enthalten. Schließlich gibt es keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass die Fernwärme in der eigenen Stadt so günstig ist, wie andernorts. Auch der Erlass einer Fernwärmesatzung ist laut der Gemeindeordnung des Landes zulässig und nicht – wie der Kläger hochrot proklamiert – eine Schweinerei. Doch in den Schriftsätzen des gegnerischen Anwalts verbirgt sich trotzdem einiger Sprengstoff.
Kritik an der Preisanpassungsklausel
So hat das Stadtwerk schon vor Jahren seine Fernwärmeversorgung ganz auf Erdgas umgestellt. Das kommt der Umwelt zugute. Doch in der Preisanpassungsklausel wird die jährliche Anpassung der Tarife immer noch zu 25 Prozent an Heizöl geknüpft. Es gibt zwar Stimmen, die dies unter bestimmten Bedingungen für vertretbar halten. Aber das Risiko ist nicht ganz gering, dass der Richter das anders sieht.

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Auch die eigentliche Preisanpassungsklausel wird vom gegnerischen Anwalt angeprangert. Er bemängelt, dass nicht klar und transparent sei, ob und wann die Preise steigen. In der entsprechenden Passage im Vertrag heißt es nämlich nur, dass das Stadtwerk die Preise halbjährlich anpassen „kann“. Ob das den Anforderungen des § 24 Abs. 4 der AVBFernwärmeV entspricht, ist wohl ausgesprochen kritisch zu sehen. Schließlich verlangt der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Kunde allein mit dem Vertrag in der Hand die Höhe und den Zeitpunkt einer Preisänderung vorhersehen kann.
Kein Anspruch auf Rückzahlung
Und was sei mit dem ominösen Faktor „E“? Mir wurde auf mein Nachfragen erklärt, E heiße Egalisierung. Mit dem Faktor E verhindern die Stadtwerke, dass die Preise in den drei unabhängigen Netzgebieten, in denen das Stadtwerk versorgt, zu weit differieren. Das wäre kommunalpolitisch unschön. Doch ob das dem Transparenzgebot des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht? Schließlich kann niemand prognostizieren, ob sich sehr unterschiedliche Preise ergeben, und wie das Stadtwerk reagiert.
Die Formel, die ich zu verteidigen habe, ist, schlicht gesagt, nicht die Schönste. Doch einen Trumpf habe auch ich im Ärmel: Die letzte Preisanpassung hat schon 2011 stattgefunden. Seitdem ist der Preis, den der erboste Kläger bezahlt, gleich geblieben. 2015 ist er sogar etwas gesunken. Diese Preisanpassung hat der Kunde aber nicht gleich, sondern erst 2015 gerügt. Nach Ansicht des BGH, der drei Jahre als Obergrenze ansieht, also zu spät.
Die Preisanpassungsklausel mag also ihre Schwächen haben. Doch der Kläger hat trotzdem keinen Anspruch auf Rückzahlung. Wie die Geschäftsstelle des Gerichts am Nachmittag mitteilt, sei die Klage deswegen abgewiesen worden. Zwar schreibt der Richter in der Begründung seines Urteils, dass die Fernwärmepreisklausel wohl unwirksam sei. Doch der Kläger ist schlicht zu spät gekommen.
Am Telefon verkünde ich dem Leiter Fernwärme die frohe Kunde. Hörbar fällt ihm ein ganzer Steinbruch vom Herzen. Doch das Stadtwerk tut gut daran, jetzt nicht einfach die Sache als erledigt zu den Akten zu legen. Denn was, wenn dieser oder ein anderer Fernwärmekunde bei der nächsten Preisanpassung rechtzeitig rügt?