Fernwärme: Gesetze, Entwicklungen und Fallstricke im Blick

Fernwärme und die damit verbundenen Regelungen werden als Teil der Energiewende als zukunftsweisendes Geschäftsfeld für Stadtwerke und weitere Versorger immer wichtiger. Lassen Sie sich von Dr. Miriam Vollmer über die grundlegenden Rahmenbedingungen informieren, um Ihre Verträge rechtskonform zu gestalten. Erfahren Sie jetzt, welchen Vorgaben die Preisbestimmung unterliegt und wie Sie die Veränderungen meistern.
Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie ist seit über einem Jahrzehnt spezialisiert auf Fragen des Energiewirtschaftsrechts, besonders des Rechts der Erzeugung und des Vertriebs. In diesen Bereichen berät sie Unternehmen der Energiewirtschaft, Industrieunternehmen und Verbände. Als Autorin zahlreicher Fachpublikationen und des bekannten energierechtlichen Blogs www.recht-energisch.de beschäftigt sie sich vorwiegend mit Energie- und Umweltrecht.
Als Expertin für Fernwärme können Sie uns vielleicht einen kurzen Überblick geben: Welche Daten und Fakten sind aktuell wichtig?
In den letzten Jahren musste man schon sehr viel Pech haben, um mit seinem Fernwärmeliefervertrag vor Gericht gezogen zu werden. Selbst mit wirklich hässlichen Verträgen standen die Chancen gut, ungeschoren davon zu kommen. Schließlich beschwert sich kein Kunde, wenn der Fernwärmepreis sinkt oder zumindest gleich bleibt. Abgesehen von einer Handvoll Fälle, in denen einzelnen Kunden „die ganze Richtung“ nicht passt, gab es deswegen kaum Preiswidersprüche.
Der Markt für Fernwärme hat sich gewandelt
Das hat sich nun geändert. Der steigende Erdgaspreis, aber auch die drastisch gestiegenen Kurse für Emissionshandelsberechtigungen ziehen die Fernwärmepreise hoch. Gleichzeitig ist auf Seiten der Immobilienwirtschaft die Bereitschaft gestiegen, sich um Mietnebenkosten zu streiten. Aus meiner Sicht sind die großen Themen der nächsten zwei, drei Jahre deswegen vor allem die Preisgleitklauseln. Stehen sie in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben? Und für diejenigen, die steigende CO2-Kosten bezahlen, aber bisher keinen CO2-Index in der Preisgleitklausel haben: Wie bekommt mein Unternehmen einen solchen Faktor wirksam in die Bestandsverträge? Das ist ja heute auch keine Frage allein der rechtlichen Rahmenbedingungen, da spielt ja auch die Kommunikation eine zunehmende Rolle.
Gesetze und Kartellrecht betreffen die Fernwärme
Welche Gesetze sollten Fernwärmeversorger jetzt kennen?
Wie immer, wenn die Preise steigen: Die AVBFernwärmeV. Und das GWB, denn Fernwärme wird zwar nicht reguliert wie Gas und Strom. Und es gibt auch keine Preiskontrolle nach § 315 BGB. Aber es gibt trotzdem eine Preiskontrolle, sowohl durch Behörden als auch durch Verbraucher, und die ist im Kartellrecht verankert.
Anteil an grüner Energie wird steigen
Was kommt künftig auf Betreiber zu und welche Gesetze sind relevant?
Tja, wer eine Glaskugel hätte … aber immerhin wissen wir Einiges: Deutschland muss für 2030, 2050 ehrgeizige, verbindlich Klimaziele erfüllen. Und die Gebäudewirtschaft hat bisher – das ist weitgehender politischer Konsens – zu wenig beigetragen. Zwar ist der aktuelle Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) wenig ambitioniert, aber ich denke, dass mittelfristig der geforderte Anteil der Wärme aus erneuerbaren Quellen drastisch steigen wird. Das hat natürlich immense Einflüsse auf den Anlagenpark der Wärmewirtschaft. Einem Fernwärmeversorger rate ich deswegen: Behalten Sie das GEG im Auge.
Vielleicht rüsten Sie Ihre existierenden Anlagen um. Oder Sie setzen künftig auf ganz andere Lösungen. Viele Unternehmen flankieren ihre Erzeugungslandschaft ja aktuell mit Quartierslösungen und schnüren Pakete aus grünem Strom und grüner Wärme. Mittelfristig soll neben der jetzt schon erfolgreichen Wärmepumpe und der Solarthermie auch Power-to-heat auch eine bedeutende Rolle spielen. Ob sich das für einen Versorger rechnet, hängt natürlich ganz maßgeblich vom EEG ab.
Diese Fallstricke sollte man beachten
Haben Sie ein paar Tipps, die man bei der Vertragsgestaltung beachten sollte?
Wer seinen Vertrag überhaupt erst einmal anfasst, hat den wichtigsten Schritt schon hinter sich. Viele Unternehmen schieben die Überarbeitung ihres Fernwärmeliefervertrags nämlich immer weiter auf. Das hat viel mit der Überforderung gerade kleiner und mittelgroßer Versorger durch die immer neuen regulatorischen Anforderungen zu tun. Das ist ja oft eine kleine Truppe, die für den Vertrieb von Energieprodukten zuständig ist. Und Fernwärme war in den letzten Jahren eben oft weniger drängend als Strom und Gas, wo der Gesetzgeber den Unternehmen mehr auf den Füßen steht.
Wenn Sie nach Fallstricken fragen: Oft gibt es in älteren Fernwärmelieferverträgen Schriftformklauseln. Die sind für Versorger eher ungünstig. Dann können Sie die Allgemeinen Versorgungsbedingungen nämlich nicht per Veröffentlichung ändern. Und laufen dann ewig hinter Kunden her, die ja auch nicht alle sofort reagieren. Das sind unnötige Aufwände. Da lohnt es sich, gerade in diesem Punkt zu ändern. Ansonsten ist die Preisgleitung natürlich immer heikel. Viele Unternehmen vergessen, die Preisgleitung anzupassen, wenn sich ihre Kostenstruktur ändert. Das ist mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV aber unvereinbar: Wenn sich etwas ändert, wird eine ursprünglich rechtmäßige Formel nachträglich zum Problem. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) sehr eindeutig klargestellt. Die nächste Preisgleitung steht dann auf tönernen Füßen und kann zu Rückforderungsansprüchen führen.
Oft umstritten: Die Fernwärmesatzung
Was hat es mit der Fernwärmesatzung auf sich und wie sollte diese ausgestaltet werden?
Fernwärmesatzungen verpflichten alle, die im Satzungsgebiet ansässig sind, ihren Wärmebedarf aus zentralen Wärmeerzeugungsanlagen zu decken statt aus der eigenen Gastherme oder Ölheizung. Ökologisch ist das fast immer die bessere Lösung. Trotzdem sind viele Bürger kritisch. Das hat teilweise wirtschaftliche Gründe, teilweise spielen da auch psychologische Aspekte mit, weil die eigene Heizung mit Autonomie und Selbstbestimmtheit identifiziert wird. Deswegen sind Fernwärmesatzungen kommunalpolitisch oft umstritten.
Ich halte sie trotzdem für eine gute Sache und für ganz und gar nicht überholt. Gerade die Erfolge der Deutschen Umwelthilfe vor Gericht zeigen doch, dass größere Anstrengungen nötig sind, um Stickoxide und Feinstaub in Ballungsgebieten zu verringern. Fernwärmesatzungen können da einen wertvollen Beitrag leisten, um Fahrverbote zu vermeiden. Weil das zentrale HKW anders als der Hausbrand eben außerhalb der Innenstadt stattfindet. Klimaschutzpolitisch ergibt der höhere Wirkungsgrad natürlich auch Sinn. Deswegen ist es gut, dass das Bundesverwaltungsgericht 2016 klargestellt hat, dass meistens kein detailliertes Gutachten für den Klimanutzen nötig ist, um eine wirksame Fernwärmesatzung zu erlassen. Trotzdem muss eine Satzung natürlich ordentlich begründet werden. Und das Verfahren ist auch nicht ohne. Hier lohnt es sich, sehr akribisch vorzugehen und statt hoher Prozesskosten im Nachgang den Erlass engmaschig zu begleiten.