Elektromobilität: Ihr Wegweiser zum Aufbau einer bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur

Im Rahmen eines Konzeptes für den Aufbau von Ladeinfrastruktur gibt es viele unklare Faktoren. Städte und Kommunen müssen sich für die Zukunft bereit machen und viele offene Fragen klären. Hamburg ist auf diesem Weg schon einen guten Schritt gegangen, wie Andreas Kramer von HAMBURG ENGERGIE verrät. Er stellt uns jetzt die vier Akteure der Elektromobilität vor und steht Rede und Antwort zur Ladeinfrastruktur.
Andreas Kramer leitet seit 2014 die Vertriebssteuerung bei HAMBURG ENERGIE. Zuvor war er hier im Innendienst im Vertrieb für Geschäftskunden tätig. Bis 2010 arbeitete er als Functional Manager bei NOUN Deutschland, nachdem er sein Studium als Diplom Wirtschaftsingenieur mit der Fachrichtung Technische Chemie an der TU Berlin erfolgreich abgeschlossen hatte.
Die Zukunft der Elektromobilität ist unberechenbar
Gibt es Modelle, mit denen man den Bedarf für die Zukunft in einem bestimmten Gebiet verlässlich bestimmen kann?
Ich habe aus einem Seminar zu Energieprognosen eine schöne Redewendung mitgenommen: „Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“. Dies gilt auch für die Elektromobilität. Vor allem in dem Stadium, in dem wir uns derzeit befinden, sind verlässliche Prognosen sehr schwierig. Es gibt diverse Hinweise für den grundsätzlichen Markthochlauf der E-Fahrzeuge. So wird die Millionenmarke in Deutschland im Jahr 2020 aller Voraussicht nach verfehlt, jedoch liegen electrive.net interne Quellen vor, nach denen selbst der Verband der Automobilindustrie (VDA) davon ausgeht, dass dieses Ziel 2023 erreichbar sei. Wie sich das im Konkreten auf bestimmte Gebiete auswirkt, ist stark von den Fahrzeugen abhängig, die neu auf den Markt kommen werden und von der Förderpolitik des Bundes, der Länder und Kommunen. Und natürlich ist es abhängig vom eigenen Handeln und Wirken.
Über 600 Ladepunkte im öffentlichen Raum
Im Bereich Elektromobilität und Ladeinfrastruktur hat Hamburg bereits einige spannende Wege eingeschlagen. Auf welche Markterfahrungen hat man da zurückgegriffen?
HAMBURG ENERGIE hat im Jahr 2011 begonnen, öffentliche Ladeinfrastruktur aufzubauen. Zu der Zeit war die vorherrschende Meinung, dass sich das nicht lohne, es keinen Return on Invest bzw. keinen Business Case gebe. Auch wir haben ausschließlich im Rahmen eines Förderprojektes für den Aufbau von Ladeinfrastruktur agiert. Einen Markt gab es noch nicht, nicht einmal eine Idee, wie ein Marktmodell aussehen könnte.
2014 hat sich dies stark gewandelt. Im Rahmen eines Anschlussprojektes zum Ausbau der bis dahin 100 auf mittlerweile über 600 Ladepunkte im öffentlichen Raum und der Trennung von Infrastrukturbetreiber und Stromlieferant haben wir ein Rollen- und Marktmodell entwickelt, welches es allen beteiligten Akteuren ermöglicht, ihre Kernkompetenzen wahrzunehmen und solide zu wirtschaften. Das besondere am Hamburger Modell ist die Trennung von Infrastrukturdienstleistung und Energieversorgung sowie der diskriminierungsfreie Zugang für alle Elektromobilitätsbetreiber (EMP). Wie in der Energieversorgung üblich, ist es den Nutzern von Elektrofahrzeugen beim Laden möglich, den Mobilitätsanbieter selbst zu wählen. Diese Besonderheit ermöglichen sonst nur Roaming-Anbieter, die sich diesen Service teuer bezahlen lassen.
Die vier Akteure der Elektromobilität
Welche Aufgaben und Akteure gibt es im Rahmen der Elektromobilität?
Wir haben vier Gruppen identifiziert und sie in folgende Bereiche geclustert:
Jede Stadt braucht die eigene Strategie
Was sollten Städte und Kommunen konkret bedenken, wenn Sie eine Ladeinfrastruktur einführen möchten? Welche Schritte empfehlen Sie?
Es gibt zwei wesentliche Fragen, die vorab geklärt werden müssen. Als erstes sollten Städte und Kommunen sich ein Bild davon machen, welchen Fahrzeughochlauf sie sich vorstellen können, welches Ziel sie selbst verfolgen und wie stark sie das Henne-Ei-Problem angehen wollen. Dabei ist zu beachten, dass ein starker Ausbau sicherlich das Bewusstsein für die Elektromobilität schärft und somit ein schnellerer Hochlauf zu erwarten ist, als wenn eher zögerlich und an den Bestandsfahrzeugen ausgerichtete Ladeinfrastruktur ausgebracht wird.
Das hat seinen Preis, und damit geht die Finanzierungsfrage einher. Egal wie viel Ladeinfrastruktur ausgeprägt wird, schon die erste Säule wird sich aktuell nicht aus den reinen Stromerträgen der Mobilitätsanbieter rechnen. Hier gilt es wie bei privaten Akteuren, die Investitionskosten zu tragen. In welcher Form das passiert, kann nur jede Stadt oder Kommune für sich selbst bewerten, da die Konstrukte öffentlicher Infrastrukturbetreiber sehr vielfältig sind und die Frage gestellt werden muss, ob beispielsweise Fördergelder genutzt oder geringere Gewinnabführungen vereinbart werden können. Sollte sich für eine öffentliche Ausschreibung eines Gesamtkonzeptes entschieden werden, so gilt es, vorsichtig in Bezug auf proprietäre Lösungsanbieter zu sein. Mit den Verbrennern haben wir gelernt, dass es möglich ist, an jeder Tankstelle zu tanken. Bei der Ladeinfrastruktur ist das aktuell nicht uneingeschränkt der Fall.
Werden Sie sich Ihrer Zielgruppe bewusst
Welche Modelle und Produkte sollte man kennen und welche Fragen sollte man sich stellen?
Die zentrale Frage ist: Welche der Aufgaben im Rahmen der Elektromobilität gehören zum Kerngeschäft und welche Aufgaben können eine sinnvolle Ergänzung im Sinne der Positionierung des Unternehmens sein? Als reiner Energieversorger ist die Stromversorgung das Kerngeschäft und ein Mobilitätsangebot für die Ladeinfrastruktur schon eine möglicherweise sinnvolle Ergänzung. Diese kann sich in verschiedenen Ausprägungen für die entsprechende Kundengruppe als Öffentliches Laden, Flottenladen, Mitarbeiterladen oder als Kooperation mit beispielsweise der Wohnungswirtschaft als Quartiersmobilität gestalten.
Ladeinfrastruktur als eigenes Produkt oder Produktgruppe ist in vielen Fällen sinnvoll, um sich den Stromabsatz zu sichern und zusätzliche Einnahmen aus dem Betrieb zu generieren. Hier gilt es, sich der Zielgruppen klar zu werden, denn die Bedürfnisse der Wohnungswirtschaft sind andere als die eines Einfamilienhausbesitzers oder gar einer ganzen Stadt für den öffentlichen Raum. Je nach Organisation, Positionierung und erwartetem Marktpotential können auch Carsharing oder Leasingangebote sinnvoll sein