Digitale Transformation in der Produktion aktiv mitgestalten

Die digitale Transformation macht sich in jeder Branche bemerkbar. So auch in der Produktion. Dr.-Ing. Christian Hertle erklärt uns in seinem Gastbeitrag, wie man seine Mitarbeiter einbezieht und so der Wandel erfolgreich gelingt.
Dr.-Ing. Christian Hertle leitet seit April 2018 das Startup Shopfloor Management Systems (www.sfmsystems.de), welches digitale Shopfloor Management Systeme entwickelt. Zuvor forschte er in seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der Technischen Universität Darmstadt seit 2012 an Shopfloor Management Systemen, beriet Unternehmen zu deren Gestaltung und Einführung und entwickelte das Darmstädter Shopfloor Management-Modell. Als ehemaliger Gruppenleiter der Prozesslernfabrik CiP organisierte er Trainings für Industrieteilnehmer zu den Themen Lean und Industrie 4.0.
Unternehmen werden zunehmend dazu gedrängt sich dem digitalen Wandel nicht zu verschließen und ihre Geschäftsmodelle sowie -prozesse zu hinterfragen. Neben digitalen Transformationsprojekten gilt es auch neue Führungsverhalten und -strukturen zu etablieren. In den Unternehmen von morgen werden weniger operative Entscheidungen auf Managementebene getroffen und stattdessen auf die Arbeitsebene verlagert.
Laut einer aktuellen Studie von STAUFEN wandelt sich der Führungsstil von klassischen „Command and Control“-Strukturen hin zu einer Führungskraft als Mentor. Hierbei sind jedoch nicht Formen des Digital Leaderships gemeint, bei denen Führung aus der Ferne mittels iPad propagiert werden. Hingegen ist es wichtig anstehende (digitale) Transformationsprozesse nah an den Mitarbeitern zu begleiten.
Ein großer deutscher Energiekonzern hat im Zuge des Transformationsprozesses drei Hindernisse identifiziert, die einem Wandel des Führungsstils im Wege stehen:
Vertikale Distanz sorgt für einen Bruch zwischen Belegschaft und Management. Mitarbeiter fühlen sich schlecht informiert und nicht abgeholt. Führungskräfte hingegen versuchen Verantwortung weg zu delegieren ohne dabei den nötigen Entscheidungsspielraum mit zu geben.
Denken und Arbeiten in Silos verliert den Wertschöpfungsprozess und schließlich den Kunden aus dem Auge. Führungskräfte tauschen sich nur wenig entlang der Wertschöpfungskette aus und verharren in den immer selben Organisations- und Denkstrukturen. Gefährlich sind auch Anreizsysteme (z.B. durch Kennzahlen), die Handlungen zulasten anderer Unternehmensbereiche belohnen.
Fehlende Zeit für Reflektion und Feedback von außen führen zu festgefahrenen Verhaltensmustern und Widerstand gegenüber notwendigem Wandel.
Viele stellen sich die Frage, wie genau sie einen solchen Wandel des Führungsstils gestalten sollen und nebenbei noch digitale Transformationsprojekte erfolgreich durchführen. Hier bietet die Lean-Methode des Shopfloor Management sowohl die Möglichkeit, digitale Transformationsprojekte nah an den Mitarbeitern zu führen, diese aktiv am Prozess zu beteiligen und ihre Meinungen einzuholen, als auch Hindernisse im Wandel des Führungsstils zu überwinden.

Dabei bietet Shopfloor Management wie kaum eine andere Methode die Möglichkeit Projektmanagement in die „Daily Operations“ zu bringen. Dabei können Transformationsprojekte für die jeweilige Abteilung/ das jeweilige Team in Teilprojekte heruntergebrochen und visualisiert werden. Anfallende Aufgaben und Maßnahmen der Teilprojekte können in den täglichen Shopfloor Besprechungen an die Belegschaft verteilt werden. Und schließlich kann das Shopfloor Board dazu genutzt werden, den aktuellen Projektfortschritt zu visualisieren und zu verfolgen.
Über eine Kaskadierung der Shopfloor Besprechungen werden sämtliche Hierarchieebenen – vom Werker in der Produktion bis zum Werksleiter – verknüpft. Dabei können Top-Down Ziele und Erwartungen kommuniziert werden und für die Belegschaft interessante Informationen schnell verbreitet werden. Bottom-Up wird der aktuelle Stand der Produktion/ des Projekts anhand von Kennzahlen kommuniziert und drängende Probleme und Maßnahmen an die höheren Hierarchieebenen eskaliert.
Shopfloor Management bringt die wichtigsten Stakeholder am Ort der Wertschöpfung in den Besprechungen zusammen, z.B. Logistik, Instandhaltung, Konstruktion, Vertrieb, etc. Dieser bereichsübergreifende Austausch fördert das Wertstromdenken und sensibilisiert die einzelnen Bereiche für die Aufgaben und Bedürfnisse der anderen.
Führungskräfte im Shopfloor Management fungieren als Coach und Mentor. Mitarbeiter werden befähigt selbstständig Probleme zu lösen und aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden. Im Rahmen von Coaching Prozessen spielt Feedback in beide Richtungen eine wichtige Rolle und der Austausch über Abteilungen hinweg liefert eine gesunde Perspektive von außen.
Dabei bietet es sich im Rahmen von digitalen Transformationsprozessen an, auf eine digitale Shopfloor Management Lösung zurück zu greifen. Unabhängig davon, ob man etwas Eigenes entwickelt oder eine am Markt verfügbare Lösung wählt, sollte darauf geachtet werden, dass diese die Vorteile und Potentiale der Shopfloor Management Methode mit in die Digitalisierung nimmt – mit Kennzahlen digital auf einem Bildschirm ist es nicht getan.