Blockchain in der Produktion: Machen Sie sich die Technologie zu Nutze!

Blockchain ist für Menschen außerhalb der Bank- und Finanzwelt oft noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aber sich damit zu beschäftigen lohnt sich. Der Digitalisierungs-Experte Prof. Dr.-Ing. Andreas Ittner kennt die Vorteile der Blockchain-Technolgie genau. Im Interview hat er uns berichtet, was der Vorteil von öffentlichen, privaten und hybriden Blockchains ist und wie Sie sich diese zu Nutze machen können.
Andreas Ittner ist Informatik-Professor mit Spezialisierung auf den Gebieten KI und Blockchain. Bereits seit seinem Informatik-Studium Anfang der 1990er Jahre beschäftigt er sich intensiv mit Machine Learning und Data Mining. Nach seiner Promotion im Jahr 1998 war er als Unternehmer tätig, indem er die prudsys AG (heutiger Marktführer im Bereich Realtime Analytics) mitgegründet und dieses Unternehmen als Vorstand, später als Aufsichtsrat mit aufgebaut hat. Im Jahr 2007 wechselte er aus der Wirtschaft zurück in den akademischen Bereich und wurde zum Professor für Informatik / Verteilte Informationssysteme an die Hochschule Mittweida berufen. Neben seiner Lehrtätigkeit leitet er hier verschiedene FuE-Projekte mit dem Fokus Machine Learning und Blockchain. Seit 2017 ist er Leiter des Blockchain Competence Centers Mittweida (BCCM). Er ist Autor zahlreicher Publikationen und wird des Öfteren zu Vorträgen auf (inter-)nationale wissenschaftliche und wirtschaftsnahe Tagungen eingeladen.
Können Sie uns in wenigen Worten erklären, wie die Technologie funktioniert und welche Arten es gibt?
Eine Blockchain kann man sich am einfachsten als eine Art Datenbank vorstellen, die (im Falle einer öffentlichen Blockchain) auf tausenden Computern weltweit redundant gespeichert wird. Jeder kann mitmachen und etwas in diese Datenbank schreiben und Inhalte daraus lesen. Einmal geschriebene Daten können jedoch nie mehr geändert oder gelöscht werden. Die Daten werden in Blöcken organisiert, die kryptografisch, als sogenannte Hashwerte, miteinander verbunden sind. Daher auch der Begriff Blockkette. Jeglicher Betrugs- oder Manipulationsversuch eines einzelnen Teilnehmers an einer Blockchain fällt sofort auf, da die Gemeinschaft aller Teilnehmer für die Korrektheit und Konsistenz der Daten sorgt. Neben öffentlichen Blockchains gibt es auch noch private, sogenannte Konsortial-Blockchains und hybride Lösungen.
Manipulation? Nicht möglich!
Was ist der Unterschied zwischen öffentlichen, privaten oder auch hybriden Blockchains und welche Vor- und Nachteile haben diese?
Bei öffentlichen Blockchains (beispielsweise Bitcoin oder Ethereum) kann jeder mitmachen, indem er/sie einen Computer als Netzwerkknoten im Blockchain-Netzwerk zur Verfügung stellt. Dadurch entsteht ein Netzwerk von tausenden Rechnern weltweit, die alle eine Kopie der Blockchain redundant speichern. Dadurch ist ein maximaler Grad an Ausfallsicherheit und Manipulationsfreiheit garantiert.
In einer privaten oder Konsortialblockchain sind meist deutlich weniger Teilnehmer vorhanden. Nur diese Personen sind berechtigt, an der Blockchain-Lösung zu partizipieren und Daten in diese zu schreiben oder aus ihr zu lesen. Eine hybride Lösung besteht meist aus einer privaten Blockchain, die von einer begrenzten Teilnehmerzahl genutzt wird. In regelmäßig zeitlichen Abständen wird dann ein „Fingerabdruck“ der Daten der privaten Blockchain (meist in Form eines sogenannten Hashwertes) in eine öffentliche Blockchain geschrieben. Diese Vorgehensweise erhöht die Sicherheit der privaten Blockchain.
Vorteile einer privaten oder Konsortialblockchain bestehen darin, dass man relativ unabhängig bezüglich der Blockzeit und der Datengrößen ist (allerdings zu Lasten der Sicherheit, deswegen der hybride Ansatz). Man kann sich das am besten in Analogie zum Internet vorstellen. Eine private Blockchain ist vergleichbar mit einer Intranet-Lösung. Eine öffentliche Blockchain kann man sich wie das Internet vorstellen.
Diesmal allerdings nicht nur für Daten und Informationen, sondern für digitalisierbare Werte und Güter sowie digitale Originale. Alle drei Ansätze haben somit ihre Existenzberechtigung.
Blockchain kann man sogar studieren!
Was sind Distributed Ledger Technologien und was muss man darüber wissen?
Der Begriff „Distributed Ledger Technologien“ wird meist als Überbegriff für die Blockchain-Technologie verwendet. Sozusagen Blockchain ohne eine Kette von Blöcken. Hier gibt es relativ junge Ansätze. Ein Vertreter so einer Lösung ist zum Beispiel die Hashgraph-Lösung. In unserem an unserer Hochschule Mittweida europaweit einzigartigen Master-of-Science-Studiengang „Blockchain & Distributed Ledger Technologies“ werden natürlich auch solche neuen Ansätze gelehrt.
Intermediäre müssen sich in Acht nehmen
Welche Technologie ist für Produktion und Logistik am erfolgversprechenden und wie kann man gerade in diesen Bereichen davon profitieren?
Es ist weniger die Frage nach der Technologie, sondern die Frage nach der Art des Denkens und wie Sie an das Thema Blockchain herangehen. Blockchain ist disruptiv und erfordert ein Business Process Reengineering (BPR) statt nur eines Continiuous Process Improvements (CPI). Ähnlich wie das Internet um die Jahrtausendwende sorgt die Blockchain in naher Zukunft dafür, dass Intermediäre überflüssig werden. Diesmal allerdings nicht Intermediäre für Informationen sondern die, die sich mit Werten, Gütern und Originalen beschäftigen.
Diese wichtigen Blockchain-Fragen sollten Sie sich stellen
Deshalb müssen Sie als interessiertes Unternehmen zuerst die Frage stellen, welche dieser Intermediäre sind in Ihrer Lieferkette oder in Ihrem Produktionsnetzwerk vorhanden? Was kosten mich diese? Sind Sie vielleicht selbst ein Intermediär, der bald überflüssig wird? Welche Güter und Werte haben Sie, die digitalisiert werden können und deren „digitale Zwillinge“ Sie blockchain-basiert transferieren möchten? Welchen Mehrwert bietet das und welchem Ihrer Unternehmenspartner in der Lieferkette oder im Verbundnetzwerk geht es genauso wie Ihnen? Sind diese gewillt, zusammen mit Ihnen eine Konsortialblockchain ins Leben zu rufen? Erst viel später müssen Sie die Frage nach der Technologie stellen. Wenn Sie als Unternehmen nicht genau so vorgehen, dann haben Sie zwar eine Lösung (Blockchain) und suchen verzweifelt das dazugehörige Problem. Diese Herangehensweise muss und wird daher schiefgehen.
Hybridlösungen setzen sich durch
In den meisten Branchen, darunter auch Produktion und Logistik, werden sich zuerst private und hybride Blockchain-Lösungen behaupten. Anwendungen sind beispielsweise die Speicherung von Produktions-, Logistik- und Lieferketten-Informationen in einer Blockchain (Supply Chain auf der Blockchain). Produkte können so via Tracking & Tracing (diesmal jedoch blockchain-basiert) verfolgt und deren Qualitäts- und Lieferstatus unveränderbar gespeichert und abgefragt werden. Die Besonderheit ist hierbei, dass die Track- und Trace-Datenbank nun niemandem (zum Beispiel dem Intermediär) mehr allein gehört, sondern alle in der Supply Chain eine identische Kopie davon besitzen. Damit wird eine neutrale Blockchain-Lösung geschaffen, die den jeweiligen Status Quo der Warenübergabe unveränderbar und manipulationssicher in der Blockchain speichert. Insbesondere bei Rückrufaktionen ist dies ein enormer Vorteil.