Airport Cities – die neuen urbanen Zentren

Sim City war gestern, Airport City ist heute. Bei dem 1997 von Will Wright programmierten Computerspiel ging es darum, eine Stadt zu entwickeln. Nun können Spieler mit der App des Software-Unternehmens Game Insight einen Flughafen als neuen zentralen Wirtschaftsstandort einer Metropole schaffen: Mit Terminals und Rollbahnen, aber auch mit Hotels, Bürogebäuden und Shoppingcentern. Eine Aufgabe, die so faszinierend scheint, dass sich Stand 15. November dieses Jahres bereits 701.546 Android-Nutzer die Airport-City-App auf ihr Smartphone geladen haben.
Die vielen Downloads zeigen, wie faszinierend Flughäfen sind. Denn sie erschließen Menschen nicht mehr nur die weite Welt. Sie sind die neuen Motoren der Megalopolen, um die herum eigene Städte entstehen: Die Airport Cities. Diese neuen Zentren rund um die Verkehrsdrehscheiben sind gefragter Standort für Business und Wohnen bei international tätigen Unternehmen und ihren geschäftsreisenden Mitarbeitern. Sie bieten begehrte Lagen für Einkaufszentren und sogar Kliniken mit hochqualifizierten Ärzteteams, deren Patienten aus aller Welt einfliegen, um sich therapieren zu lassen.
Birgit Werner, MRICS, ist Leiterin Immobilienentwicklung im Geschäftsbereich Real Estate der Flughafen München AG und Local Chair Zürich des Urban Land Instituts Switzerland.
Die Bedeutung von Airport Cities
Welche Bedeutung Airport Cities künftig gewinnen werden, hat niemand besser formuliert als John D. Kasarda, Direktor des Centers for Air Commerce an der University of North Carolina:
Infrastrukturzentren bargen immer schon das Potenzial substanzieller Mehrerlöse durch kommerzielle Immobilienentwicklungen. So wie einst rund um die Bahnhöfe Stadtquartiere entstanden sind, entstehen heute an Flughäfen mit den Airport Cities neue Zentren der Geschäftstätigkeit.
München und Zürich als Vorbild
Ein Beispiel dafür ist München. Die Flughafen München GmbH hat den Bereich „Real Estate“ gezielt als eigenes Geschäftsfeld neben der Aviatik organisiert, um durch die Schaffung von Immobilien für Dritte substanzielle Mehrerträge zu generieren. Das Leitthema Innovation lockt internationale Partner von höchstem Renommee: Forscher des Massachusetts Institute of Technology unterstützen die Flughafengesellschaft bei der Entwicklung des „LabCampus“ – ein neues, 500.000 Quadratmeter messendes Quartier, in dem 5.000 Menschen aus der High-Tech-Industrie, den Schlüsselbranchen der Luft- und Raumfahrt und der Digitalisierung arbeiten werden.
Ein weiteres Beispiel ist „The Circle“ am Flughafen Zürich. Auf 30.000 Quadratmetern Grundfläche entstehen bis Ende 2019 Gebäude für 6.500 Büroarbeitsplätze, zwei Hotels mit zusammen 550 Zimmern, ein Kongresszentrum für bis zu 2.500 Besucher, Ladengeschäfte sowie ein medizinisches Zentrum des Zürcher Universitätsspitals. Top-Retail-Mieter sind die Zeitmessermanufaktur Omega und das Warenhaus Jelmoli. Entworfen vom japanischen Stararchitekten Riken Yamamoto, präsentiert sich „The Circle“ mit einer halbrunden, 600 Meter langen Glasfront als markantem Erkennungsmerkmal.
In München entsteht mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) das LabCampus, ein Quartier für 5.000 Menschen aus der High-Tech-Industrie.

The Circle in Zürich bietet Platz für 6.500 Büroarbeitsplätze, zwei Hotels, ein Kongresszentrum sowie Ladengeschäfte und ein medizinisches Zentrum.
Das Narrativ der Airport City
Hinzukommen muss ein individuelles Narrativ, welches das spezielle städtebauliche Konzept jeder Airport City herausarbeitet, sie zu einer Marke macht und zugleich Leitplanken für ihre weitere Entwicklung setzt. In München ist dieses Narrativ das Thema Innovation. Beim Zürcher Flughafen lautet das Narrativ anders. „The Circle“ ist das neue, zweite Zentrum der Stadt. Die Verkehrsdrehscheibe Flughafen wird zur neuen Business- und Retail-Destination.
Nun sind Flughafengesellschaften und ihre Mitarbeiter perfekt aufgestellt, ein Infrastrukturprojekt zu betreiben. Die Immobilienentwicklung und -vermarktung hingegen ist – mangels Erfahrung – nicht immer ihre Stärke. Damit eine Flughafengesellschaft eine Airport City stemmen kann, ist nicht nur ein Umdenken in der Führungsspitze nötig. Es braucht auch den Einsatz, neuer mit den Anforderungen der Immobilienwirtschaft vertrauter Experten. In Zürich wurde dafür sogar ein privater Investor an Bord genommen: Der Versicherungsgigant Swiss Life übernahm 49 Prozent der Anteile an „The Circle“ und eine entsprechende Beteiligung am eine Milliarde Franken schweren Projekt.
Das Negativ-Beispiel Flughafen Berlin-Brandenburg
Nicht immer laufen Airport-Projekte rund, wie der Flughafen Berlin-Brandenburg zeigt. Sieben Jahre nach geplanter Eröffnung ist er noch immer nicht in Betrieb. Was auffällt im Vergleich zu München: 51 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft des bayerischen Airports hält die politisch seit Jahrzehnten stabile Landesregierung. Am Flughafen Berlin-Brandenburg hingegen sind der Bund mit 26 Prozent und die Länder Berlin und Brandenburg mit jeweils 37 Prozent beteiligt. Zusätzlich waren in Berlin seit Beginn der Bauarbeiten am Flughafen vor zwölf Jahren drei verschiedene Regierungen am Ruder, was immer wieder zu Änderungen beim Projekt führte. Insbesondere die abrupte Umstellung von Werk- auf Dienstverträge verursachte Verzögerungen und Komplikationen. Dies zeigt: Nicht nur die Planung muss stimmen. Nötig ist auch die Kraft, das Konzept gegen Widerstände und Planungsänderungsbegehren durchzusetzen.
Für die Entwicklung und damit Vermarktung der Flächen bedarf es eines Alleinstellungsmerkmals, einer Unique Selling Proposition. Der Kern dieser USP ist immer gleich: Airports sind durch ihre internationalen Verbindungen ein spezieller Ort, der allein durch den Flugverkehr sehr hohe Frequenzen an potentiellen Kunden generiert bei gegebenen hohen Sicherheitsstandards – und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche.